Genetische Diagnostik und Testergebnisse
Was genau wird untersucht?
Die genetische Diagnostik zur Erkennung einer familiären Veranlagung (Prädisposition) zur Krebsentstehung wird üblicherweise aus einer Blutprobe durchgeführt. Bei einer erblichen Tumorprädisposition liegt eine genetische Veränderung in einem DNA-Reparaturgen in allen Zellen des Körpers vor (Keimbahnmutation, siehe Abschnitt "Was ist familiärer Brust- und Eierstockkrebs").
Aus der Blutprobe wird die DNA isoliert und im Fall einer ersten Testung innerhalb einer Familie (Index-Testung) werden insgesamt 27 Gene, die mit erblichen Krebserkrankungen in Verbindung stehen, auf Veränderungen untersucht. Dazu gehören die Hochrisikogene BRCA1 und BRCA2 sowie alle weiteren bekannten Risikogene für Brust-, Eierstock- und Endometriumkarzinom (wie ATM, BRIP1, CDH1, CHEK2, EPCAM, MLH1, MSH2, MSH6, PALB2, PMS2, PTEN, RAD51C, RAD51D, STK11, TP53). Ebenfalls erfolgt eine Analyse von Kopienzahlveränderungen (Mikrodeletionen und -duplikationen). Die Index-Testung wird am besten bei der Person durchgeführt, die in der Familie am jüngsten erkrankt ist. Eine stellvertretende Testung von gesunden Personen ist nur in besonderen Fällen (z. B. wenn alle Indexpersonen verstorben oder nicht verfügbar sind) und nur bei einer hohen berechneten Mutationsnachweis-Wahrscheinlichkeit möglich.
Falls bereits eine Genveränderung in der Familie bekannt ist, erfolgt in der Regel keine umfangreiche Suche, sondern eine gezielte Diagnostik auf das Vorhandensein dieser Veränderung. Diese Untersuchung kann sowohl bei erkrankten Personen (diagnostische Testung) als auch bei gesunden Familienmitgliedern (prädiktive/vorhersagende Testung) durchgeführt werden.
Welche Ergebnisse einer genetischen Testung sind möglich und was bedeuten sie?
Unauffälliger Befund
Ein unauffälliges Ergebnis bedeutet, dass keine krankheitsverursachende Genveränderung nachgewiesen wurde. Dies macht eine genetische Ursache weniger wahrscheinlich, schließt sie jedoch nicht definitiv aus, da selbst mit den modernsten Methoden nicht alle genetischen Veränderungen nachgewiesen werden können und Veränderungen in nicht untersuchten Genen nicht abgedeckt sind. Mithilfe einer speziellen Software (CanRisk / BOADICEA) erfolgt eine individuelle Risikobewertung für die Ratsuchende/n. Je nach Ergebnis werden die empfohlenen Maßnahmen besprochen, die bei einem hohen errechneten Risiko auch die Empfehlung zur intensivierten Früherkennung einschließen können.
Auffälliger Befund - (wahrscheinlich) krankheitsverursachend
Wenn bei einer selbst betroffenen Person eine (wahrscheinlich) krankheitsverursachende Veränderung (Mutation) in einem krebsassoziierten Gen nachgewiesen wird, gilt diese Mutation oft als Ursache der Erkrankung. Möglicherweise ergeben sich aus diesem Ergebnis therapeutische Konsequenzen. Manche Genveränderungen ermöglichen eine zielgerichtete medikamentöse Therapie (z. B. PARP-Inhibitoren bei BRCA-Mutationen), und in einigen Fällen kann auch eine Anpassung des operativen Vorgehens in Betracht gezogen werden (z. B. bei neoadjuvanter Chemotherapie). Das Ergebnis ermöglicht außerdem eine individuelle Risikobewertung für die Indexperson und deren Angehörige. Gesunde Verwandte können nach ausführlicher genetischer Beratung eine prädiktive (vorhersagende) Testung durchführen lassen, um festzustellen, ob sie die familiäre Genveränderung tragen. Bei einem positiven Ergebnis besteht abhängig vom betroffenen Gen die Möglichkeit einer intensivierten Früherkennung/Nachsorge oder es können risikoreduzierende Operationen überlegt werden.
Auffälliger Befund - Variante unklarer Signifikanz
Es kommt nicht selten vor, dass bei der Untersuchung eine Genveränderung gefunden wird, deren Bedeutung mit unserem aktuellen Wissensstand noch nicht eindeutig geklärt werden kann. Das bedeutet, dass zwar eine Veränderung identifiziert wurde, aber nicht klar ist, ob diese Veränderung mit einem erhöhten Tumorrisiko verbunden ist oder ob es sich um eine normale Variation ohne Krankheitsbezug handelt. Solche Veränderungen werden als Varianten unklarer Signifikanz bezeichnet. Sie stellen uns in der Beratung vor eine schwierige Situation, da sie oft zu Verunsicherung auf Seiten der Ratsuchenden führen. Aufgrund dieser unklaren Bedeutung ergeben sich aus solchen Befunden keine konkreten klinischen Handlungsempfehlungen (keine intensivierte Früherkennung/Nachsorge, keine Empfehlung für risikoreduzierende Operationen). Alle unklaren Varianten werden in eine zentrale Datenbank eingespeist und regelmäßig neu bewertet. Falls eine Neubewertung mit klinischer Relevanz erfolgt, können Betroffene über die individuellen Konsequenzen informiert werden.